Sonntag, 30. März 2014

Was ich nicht brauche, soll auch kein anderer haben

Der Spiegel-Volontär Alexander Demling war so freundlich, in einem Artikel seine Sichtweise über die Mütterrente darzulegen, die er für eine Beleidigung der Regierung hält. Denn: Seine Mutter braucht sie nicht.

Ich halte die Mütterrente für eine der wenigen klugen Ideen, die die Union in den letzten Jahren ausgebrütet hat.

Freundlicherweise erklärt Herr Demling im ersten Absatz gleich mal die Idee dahinter.
Fünf Kinder hat sie zwischen 1982 und 1990 geboren. Durch das geplante Rentenpaket von Union und SPD soll sie dann für uns fünf ähnlich viel Rente bekommen wie für meine beiden kleinsten Geschwister, die ab 1992 auf die Welt kamen.

Genau, denn warum sollte ein Kind mehr Rente wert sein als das andere?

Das weiß Herr Demling allerdings auch nicht, erzählt dafür aber von seiner Mutter, die einen Oberarzt heiratete, sieben Kinder bekam und dafür ihren Ärzteberuf aufgab und heute in einer Doppelhaushälfte wohnt und nebenbei noch einige Wohnungen vermietet.
Darauf folgen zwei schwere Fehleinschätzungen und das in nur einem Satz!

Meine Mutter ist typisch für die Frauen ihrer Generation

Oh nein Herr Dehling, ihre Mutter ist nicht in einer typischen Situation, sondern in einer sehr priviligierten.
Und es geht auch nicht nur um diese Generation. Das Gesetz betrifft alle Frauen, die vor 1992 mindestens ein Kind bekommen haben, also gleich zwei oder sogar drei Generationen, das geht bis in die Kriegszeit zurück. Doch dazu später mehr.

Immerhin erkennt Dehling an, dass das Gesetz sicherlich auch ein paar Frauen vor Armut schützen wird, alle anderen sind deswegen aber nun wohl verloren. Für sämtliche kommenden Generationen wird nichts mehr da sein, der Staat pleite und die Masse der Rentner ist ja erst noch zu erwarten.

Er schließt dann mit folgendem Absatz:
Ironisch, dass die Große Koalition mit der Mütterrente eine Generation von Frauen belohnen will, die selbst kaum jemals so verantwortungslos gewirtschaftet hätten wie derzeit die Bundesregierung. Für meine Mutter wie für viele in den fünfziger und sechziger Jahren geborene Frauen ist Sparsamkeit noch eine Charakterfrage. Für sie ist es Ehrensache, ihren Kindern keine Schulden, sondern ein Haus und ein gefülltes Sparkonto zu hinterlassen. Wer wie Angela Merkel behauptet, die "schwäbische Hausfrau" als politisches Leitbild zu haben, sollte sich auch so verhalten.

Sorry, das ist realitätsferner Unsinn.
Sicherlich geht es den meisten Eltern so, dass sie jedem Kind ein Haus und gefülltes Sparkonto hinterlassen möchten, dummerweise ist es dabei mit simpler Sparsamkeit nicht getan.

Ich möchte hier kurz als Beispiel meine Oma - natürlich die beste der Welt - gegenüberstellen. Sie ist 1931 geboren, eine Generation, in der Sparsamkeit keine Charakter-, sondern eine Überlebensfrage war. Sie hat alleine fünf Kinder großgezogen. Ohne pensionierten Oberarzt als Mann und ohne Beruf (schon gar nicht Ärztin), den sie gänzlich aufgeben konnte, weil ja die Kinder ernährt werden mussten.
Mit der gleichen Verve, die Herr Dehling an den Tag legte, erkläre ich das mal für typisch für Frauen ihrer Generation.
Sie hat kein Haus und kein gefülltes Bankkonto, das sie ihren Kindern hinterlassen kann. Unnötig zu erwähnen, dass dies nicht an mangelnder Sparsamkeit liegt, die nichts aber auch gar nichts mit der Sparsamkeit zu tun hat, lieber eine Doppelhaushälfte statt ein Einfamilienhaus zu kaufen.
Meine Oma ist eine furchtbar sparsame Frau, ihre Rente ist nämlich niedriger als die Grundsicherung, da muss sie jeden Pfennig dreimal umdrehen und da sie schon kein Haus zum Vererben hat, wandert jeder zweite davon in Geschenke für die Familie, das ist für sie Ehrensache Herr Demling.

Altersarmut ist keine abstrakte Sorge in der Zukunft, für die wir heute Geld zurücklegen müssen, das ist bereits ein existierendes Problem! Vor allem bei Frauen, die Mütterrente ist hier nur eine wichtige Symptombehandlung.
Ganz nebenbei geht es hier auch um Gleichbehandlung, weil es unsinnig ist, dass Kinder, die vor 1992 geboren sind, irgendwie weniger Rente wert sind.
Das ist ein Grund, aber nicht nur.
Rente bekommt jeder, auch der pensionierte Vater Herr Demlings, obwohl er vielleicht auf einem Batzen Geld sitzt und es gar nicht nötig hätte.
Würde man die Mütterrente außerdem an Bedürftigkeit knüpfen, gäbe es die Notwendigkeit, diese zu definieren, zu prüfen und weiteres bürokratisches Hickhack.
Meine Oma könnte heute bereits etwas mehr Geld monatlich bekommen, wenn sie die Grundsicherung beantragen würde. Da gibt es dieses bürokratische Hickhack und deswegen macht sie es nicht, weil sie zb aus ihrer Wohnung ausziehen müsste, in der sie seit etlichen Jahrzehnten lebt und in deren Umgebung sich ein Großteil ihrer Sozialkontakte befinden. Oh und da sie ja kein Haus zum Vererben hat, es aber für sie Ehrensache ist, die Kinder nicht auf den Kosten der Beerdigung sitzen lassen möchte, hat sie etwas angespart. Das steht der Grundsicherung übrigens auch im Weg und sie müsste das vorher auflösen.

Ich kann damit leben, wenn Herr Demlings Erb-Sparkonto nun besser gefüllt ist als vorher, wenn meine Oma ihren Lebensabend dafür etwas sorgenfreier genießen kann.
Nur, warum kann Herr Demling das nicht?